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Julia Schoch ist Schubart- Literaturpreisträgerin 2023 - Förderpreis geht an Slata Roschal

„Julia Schoch ist Trägerin des Schubart-Literaturpreises 2023 der Stadt Aalen“, gibt Oberbürgermeister Frederick Brütting das Ergebnis der Jurysitzung vom 17. Januar bekannt. Die Schriftstellerin erhält den mit 20.000 Euro dotierten Literaturpreis für ihren im dtv-Verlag erschienenen Roman „Das Vorkommnis“. Die Jury überzeugte vor allem ihre sprachlich konzentrierte und kluge Selbstbefragung über Erinnerungen und die Konstruktion eines Lebens, die von einem unerschrockenen und offenen Blick auf vermeintliche Gewissheiten zeugt – ganz im Sinne des Namensträgers des Preises.

Mit dem Schubart-Förderpreis der Kreissparkasse Ostalb, der mit 7.500 Euro dotiert ist, wird Slata Roschal für ihr Debüt „153 Formen des Nichtseins“ ausgezeichnet. Der Roman ist im Homunculus-Verlag erschienen. Die festliche Preisübergabe ist am Samstag, 22. April um 18 Uhr im Kulturbahnhof Aalen. Am Sonntagvormittag, 23. April lesen die beiden Preisträgerinnen um 11 Uhr im KUBAA aus ihren preisgekrönten Romanen. 

„Ich danke allen Jurymitgliedern für die ernsthafte Diskussion und sorgsame Auswahl“, sagte OB Brütting. Er freue sich, diese literarische Auszeichnung, eine der ältesten in Baden-Württemberg, gemeinsam mit der Jury und im Namen des Gemeinderats verleihen zu dürfen.

Der Jury gehören die Literaturkritikerin und Publizistin Verena Auffermann, die Literaturkritikerin und Literaturredakteurin des rbb, Anne-Dore Krohn, der Literaturkritiker und Übersetzer Denis Scheck, Köln, Dr. Stefan Kister, Kulturredakteur der Stuttgarter Zeitung, der Stuttgarter Kulturwissenschaftler Dr. Michael Kienzle und aus Aalen Oberstudiendirektor a.D. Michael Weiler an. Anne-Dore Krohn wird die Laudatio auf Julia Schoch halten, Dr. Stefan Kister wird beim Festakt die Förderpreisträgerin Slata Roschal würdigen.

Die prämierten Romane

Julia Schoch fällt in „Das Vorkommnis“ elegant und absichtlich gleich mit der Tür ins Haus. Schon im ersten Absatz sagt eine Frau zur Ich-Erzählerin: „Wir haben übrigens denselben Vater“. Ein erzählerisch genialer Anfang: Alles, was danach kommt, ist eine nachdenkliche und kluge Selbstbefragung über Erinnerung und die Konstruktion eines Lebens. Es geht Schoch nicht darum, herauszufinden, ob die Frau wirklich ihre Halbschwester ist, sondern um das, was ihr Auftauchen ins Wanken bringt - die vermeintlichen Gewissheiten oder gar Wahrheiten. Schreibend, reflektierend, analysierend versucht sie zu verstehen, warum das Auftauchen so einschneidend war. „Ich hatte Lust, in den Keller zu steigen und etwas zu ergründen, das mir selbst noch unklar war“, schreibt sie. In kurzen Abschnitten stellt die Autorin Gedanken und Fragen in den Raum, ehrlich, dringlich und zutiefst menschlich. Damit regt Schoch dazu an, selbst zu reflektieren und das vermeintlich Wahre von Familiengeschichten in Frage zu stellen. 

Julia Schoch, 1974 in Bad Saarow geboren, hat Germanistik und Romanistik an der Universität Potsdam, in Montpellier und Bukarest studiert und ist seit 2003 freiberufliche Autorin und Übersetzerin. Neben Auszeichnungen mit Stipendien und Förderpreisen, z.B. zum Hölderlin-Preis und zum Meersburger Droste-Preis, war sie Stipendiatin in der Villa Massimo und erhielt 2022 die Ehrengabe der Deutschen Schillerstiftung. Der Roman „Das Vorkommnis“ ist der erste Teil einer geplanten Trilogie mit dem Titel „Biografie einer Frau“. Der zweite Teil „Das Liebespaar des Jahrhunderts“ erscheint im Februar 2023. Julia Schoch lebt mit ihrer Familie in Potsdam

Überzeugt hat die Jury auch Slota Roschals Roman „153 Formen des Nichtseins“.  In ihrem Romandebüt bildet die in Sankt Petersburg geborene Schriftstellerin das Aufwachsen in einer Gemeinschaft ab, in der zur russisch-jüdischen Herkunft noch die Zugehörigkeit zu einem Reich kommt, das nicht von dieser Welt ist: den Zeugen Jehovas. Sie erzählt von dem schmerzhaften Emanzipationsprozess einer jungen Frau, in dem sie sammelt, von was dieses Leben umstellt ist: Listen, E-Mails, Notizen, kleine und größere Szenen, Zitate - eben „153 Formen des Nichtseins“. 

Der Roman dokumentiert den mühsamen und radikalen Ablösungs- und Befreiungsprozess von den Gewissheiten und Vereinnahmungen religiöser und politischer Indoktrination. Und doch wahrt die Autorin immer eine Distanz gegenüber allzu sprungbereiten Urteilen. „Während es gerade überall um die Frage von Identitäten geht, hat Slata Roschal ein Buch geschrieben, das zeigt wie sehr wir aus dem zusammengesetzt sind, was wir nicht sind“, begründet die Jury ihre Entscheidung. 

Slata Roschal zog mit ihren Eltern 1997 nach Deutschland und wuchs in Schwerin zweisprachig auf. Sie studierte Slawistik, Germanistik und Komparatistik an der Universität Greifswald und promovierte 2021 an der Universität München. 
Neben zahlreichen Stipendien gewann sie 2018 den Literaturpreis Mecklenburg-Vorpommern und wurde für Gedichte und Prosaminiaturen auf die Liste der Lyrik-Empfehlung 2022 gewählt. Ihr Debütroman „153 Formen des Nichtseins“ kam auf die SWR-Bestenliste und wurde für den Deutschen Buchpreis nominiert. Slata Roschal lebt in München.

Schubart-Literaturpreis - einer der ältesten Literaturpreise in Baden-Württemberg

Die Stadt Aalen verleiht den Schubart-Literaturpreis seit 1956 in zweijährigem Turnus. Ausgezeichnet werden herausragende literarische Leistungen in der Tradition des freiheitlichen und aufklärerischen Denkens von Christian Friedrich Daniel Schubart (1739 – 1791). Der Literat, Journalist und Komponist verbrachte seine Jugendjahre in der damaligen Reichsstadt Aalen. Sein Lebenswerk war die Herausgabe der Deutschen Chronik, einer zweimal wöchentlich erscheinenden Zeitung voller literarischer, kultureller und tagespolitischer Berichte.

Preisträger waren unter anderen:

Monika Helfer (2021), Daniel Kehlmann (2019), Saša Stanišić (2017); Katja Petrowskaja (2015); Jenny Erpenbeck (2013); Peter Schneider (2009); Friedrich Christian Delius (2007), Uwe Timm (2003), Robert Gernhardt (2001), Alice Schwarzer (1997), Ralph Giordano (1995) und Peter Härtling (1974).

„Wortgewaltig“ – Rahmenprogramm rund um die Preisverleihung

Seit mehreren Jahren ist der Festakt zur Preisverleihung in ein literarisches Rahmenprogramm eingebettet. Das jährliche Programm fasst unter dem Titel „wortgewaltig“ Lesungen, Veranstaltungen, Ausstellungen und Diskussionen zusammen und stellt zeitgenössische Kultur in den Kontext zu Schubarts literarischem und journalistischem Wirken. Der Programmflyer liegt im Rathaus und allen öffentlichen Einrichtungen der Stadt Aalen aus und ist im Internet unter www.aalen.de zu finden.

© Stadt Aalen, 11.04.2023