Roman / Hélène Gestern. Übers.: Brigitte Große und Patricia Klobusiczky. - Dt. Ausg. - Frankfurt am Main : S. Fischer, 2018. - 703 S. : Ill. ; 22 cm
Einheitssacht.: L' odeur de la forêt. - Aus dem Franz.
ISBN 978-3-10-397343-3 fest geb. : 26,00 €
Als Expertin für historische Postkarten wird die Historikerin Elisabeth Bathori häufig zur Begutachtung von Nachlässen hinzugezogen. So auch im Fall der 89-jährigen Gräfin Alix de Chalendar, die eine umfangreiche Sammlung an Fotografien und Feldpostbriefen ihres Onkels Alban de Willecot an den berühmten französischen Dichter Anatole Massis besitzt. Elisabeth wird von der hochbetagten Dame als Nachlassverwalterin damit beauftragt, die Zeugnisse aus der Zeit des Ersten Weltkriegs zu sichten und für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Bei der Durchsicht des Materials ahnt Elisabeth bereits, welchen historischen Wert die Zeugnisse, die ihr anvertraut worden sind, besitzen. Alban de Willecot und sein Dichterfreund Antatole Massis schafften es, an der Zensur vorbei, die Grauen des Krieges in Worten und Bildern festzuhalten. Doch Alban fiel 1916 an der Front und Massis verstarb kurz nach Ende des Krieges, sodass die Dokumente in Vergessenheit gerieten.
Als Alix kurz darauf stirbt, vermacht sie Elisabeth nicht nur die Rechte an der Sammlung, sondern auch ein Landhaus im Herzen Frankreichs. In diesem Haus stößt die junge Historikerin auf weitere Dokumente, mit Hinweisen auf ein kompliziertes Geflecht an Personen, die mit Alban de Willecot und Anatole Massis verbunden waren. Die Recherche führt sie von Paris über Brüssel nach Lissabon, wo Elisabeth ein verschlüsseltes Tagebuch einer geheimnisvollen Diane in die Hände fällt, die offenbar engen Kontakt zu Willecot und Massis hatte. Nach und nach setzt Elisabeth das Mosaik der vielen Lebensgeschichten voller Leid, Liebe und Hoffnung, in Zeiten eines alles in Trümmer zerschmetternden Kriegs, zusammen.
Zur Autorin:
Hélène Gestern, Jahrgang 1971, stammt aus Lothringen. Die Herkunft der Autorin aus der immer wieder zwischen Frankreich und Deutschland umkämpften Region, ist für die Verortung des Romans daher nicht zufällig gewählt. Jedoch nicht autobiografisch beeinflusst, sondern eine Verschmelzung verschiedener Biografien und Familiengeschichten aus dem Frankreich des 20. Jahrhunderts zu dieser zwischen Realität und Fiktion fließenden Geschichte. Neben dem Schreiben unterrichtet Hélène Gestern an der Universität von Lorraine Literatur. Ihre großen Themen sind Fotografiegeschichte und das autobiographische Schreiben. „Der Duft des Waldes“ ist 2016 in Frankreich erschienen. Es ist das erste Buch, das von der Autorin 2018 ins Deutsche übersetzt wurde, hundert Jahre, nachdem der Erste Weltkrieg zu Ende ging.
Viele französische Schriftsteller beschäftigen sich mit der Thematik des Ersten Weltkriegs, da „La Grande Guerre“, dieser fürchterliche Stellungskrieg, der auf französischem Boden Millionen Opfer forderte, noch stark im kollektiven Bewusstsein vieler Franzosen verankert ist.
Neben der Eindringlichkeit der Handlung und der anschaulichen Schilderung von Verrat und Verfolgung im Ersten und Zweiten Weltkrieg ist es beeindruckend, wie die Autorin es versteht, französische Familienschicksale mit zeitgeschichtlichen Ereignissen zu verzahnen und es damit schafft, eine Brücke von der Gegenwart (Perspektive der Ich-Erzählerin) in die Vergangenheit (z. B. Briefwechsel zwischen Alban de Willecot und Anatole Massis) zu schlagen. Ein Arrangement aus realen und fiktiven Erzählungen, Dokumenten, Feldpostbriefen, Tagebüchern und Erinnerungen, deren Inhalt sich so, oder ähnlich zugetragen haben könnte.