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Buchtipp für Erwachsene 07/2021: Haruf Kent: Kostbare Tage

aus dem Amerikanischen von Pociao und Roberto de Hollanda. - Zürich : Diogenes, 2020. - 272 Seiten ; 19 cm
EST: Benediction
ISBN 978-3-257-07125-2 fest geb. : CHF 24.00

(© Diogenes)

2014 ist der amerikanische Schriftsteller Kent Haruf gestorben – zu früh, um den späten Erfolg seiner Romane, die im englischen Original zwischen 1984 und 2015 erschienen sind, im deutschsprachigen Raum noch zu erleben. Erst ab 2017 veröffentlichte der Diogenes-Verlag fünf seiner Romane in deutscher Übersetzung.

Alle Romane Harufs entführen uns in eine fiktive Welt: in die ländliche Kleinstadt Holt im amerikanischen Bundesstaat Colorado und damit in ein Milieu, das Haruf aus eigener Anschauung und eigenem Erleben zutiefst vertraut war. Und genau das merkt man auch beim Lesen: Da schreibt einer über ein Umfeld, das er kennt, weil er selbst den größten Teil seines Lebens dort verbracht hat.

Mit den insgesamt sechs Romanen der Holt-Serie, von denen der erste noch immer nicht in deutscher Übersetzung vorliegt, erschuf Haruf einen fiktiven kleinstädtischen Kosmos in einer Gegend fernab vom Getriebe der großen anonymen Städte, mit teilweise skurrilen, aber gerade deshalb liebenswerten Charakteren. Im Mittelpunkt stehen einfache, oft von harter Arbeit geprägte Menschen, denen nichts geschenkt wurde und wird, die aber trotzdem nicht jammern oder sich in Selbstmitleid ergehen, sondern sich den Herausforderungen des Lebens stellen. Vielleicht macht gerade dies den Zauber von Harufs Kleinstadtgeschichten aus: Die Protagonisten und Protagonistinnen sind Menschen wie du und ich. Sie sind keine Helden, sie entstammen nicht der Welt der Schönen und der Reichen. Das kleine Glück im stillen Winkel genügt ihnen. Und ihnen ist dabei immer klar: Selbst dieses kleine Glück fällt nicht vom Himmel, sondern will hart erarbeitet sein. Klingt ein bisschen nach kitschigen Provinzromanen, ist es aber nicht. Denn dazu sind die Themen zu ernst und Harufs Erzählstil viel zu nüchtern und unsentimental.

Mein Favorit aus der Reihe ist der Titel „Kostbare Tage“. Darin schildert Haruf den letzten Sommer von Dad Lewis, der unheilbar an Krebs erkrankt ist. Haruf erzählt vom letzten Besuch Dad Lewis‘ in seinem Eisenwarenladen, dessen Geschäftsführung er an einen seiner Angestellten übergeben hat, von Fahrten an Orte, von denen aus er seine Heimat noch einmal überblicken kann, von der Heimkehr der Tochter, die ihre Mutter bei seiner Pflege unterstützen will. Und er schildert Dad Lewis‘ Hoffnung auf eine letzte Begegnung mit seinem Sohn, der den Kontakt zur Familie vor Jahren abgebrochen hat. Und während Dad Lewis‘ Kräfte schwinden, gehen der Sommer und das Leben weiter. Das alles erzählt Kent Haruf wunderbar langsam, zurückhaltend und in einer unprätentiösen Sprache, wobei immer wieder brillante lakonische Dialoge dem gleichmäßigen Erzählfluss Glanzlichter aufsetzen.

Mit „Kostbare Tage“ ist Kent Haruf ein anrührender, aber nie sentimentaler Roman Familien- und Gesellschaftsroman gelungen, der uns an die Vergänglichkeit des Individuums erinnert, zugleich aber auch daran, dass das Leben weitergeht. Für mich war Kent Haruf die literarische Entdeckung des Jahres 2020. Und wer nach der Lektüre von „Kostbare Tage“ so wie ich angefixt ist, kann sich von vier weiteren Titeln der Reihe in den ganz eigenen Kosmos von Holt, Colorado entführen lassen.

Michael Steffel

Stadtbibliothek im Torhaus

 

 

 

 

 

 

 

Dad Lewis verbringt den heißen, seinen letzten, Sommer auf der Veranda am Rande der Kleinstadt Holt. Tochter Lorraine ist zur Unterstützung ihrer Mutter heimgekehrt, zu Sohn Frank gibt es keinen Kontakt mehr. Doch der alte Mann spricht in Gedanken mit ihm und beobachtet seine Nachbarn.

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