Roman / Mariam T. Azimi. - Berlin : List, 2021. - 253 Seiten ; 21 cm
ISBN 978-3-471-36009-5 fest gebunden : EUR 19.99
Miriam Azimis Roman ist ein Buch über Fremdsein, Zugehörigkeit und Identitätsfindung einer Frau, die 1983 als Fünfjährige mit ihren Eltern und ihrer älteren Schwester aus Afghanistan nach Deutschland flüchtete.
Die Ankunft war ein Schock für die kleine Wana. Vor allem die fremde Sprache ist eine große Hürde. Sie muss feststellen, dass nicht nur sie hilflos sondern auch ihr ansonsten immer souverän auftretender Vater unsicher und auf fremde Hilfe angewiesen ist. Er war bis zum Einmarsch der Russen in seiner Heimat ein angesehener Beamter, danach allerdings ohne Anstellung und Einkommen. Als das Leben immer gefährlicher wurde, entschloss er sich, seine Familie zur Sicherheit ins Ausland zu bringen und danach zurückzukehren, um an der Seite seiner Brüder für die Befreiung Afghanistans zu kämpfen. Ein Versprechen, das er nie einlösen wird. Auch er bleibt im Ruhrgebiet und zerbricht an seinem „Verrat“. Er zieht sich vollkommen zurück, hört ständig afghanische Nachrichten und ist selbst und für seine Familie kaum noch zu erreichen. Alltagsprobleme werden vom Vater ferngehalten.
Die Mutter, die weder deutsch spricht noch lesen und schreiben kann, übernimmt das Sagen in der Familie. Unterstützt wird sie dabei von der afghanischen Community im Ruhrgebiet. Die Mutter und die ältere Schwester sind eng in diese Gemeinschaft eingebunden. Wana aber orientiert sich an anderen Werten und Personen. Sie fühlt sich als Deutsche und will leben wie ein deutscher Teenager. Sie verschafft sich Freiräume und trifft sich ab und zu abends mit ihren Freunden. Dabei kommt es bei einem Disco-Besuch zu einem Schlüsselerlebnis, das ihr vor Augen führt, dass Leute wie sie eben doch nicht dazu zählen, auch wenn sie es möchten.
Tief getroffen und verwirrt lässt sie sich mit einem Jungen aus ihrer Clique ein und wird mit 15 Jahren schwanger. Für die Familie eine Katastrophe aber alles wird verheimlicht und das Kind abgetrieben. Die Mutter reagiert in ihrer Überforderung ausgesprochen kaltherzig und es kommt zum emotionalen Bruch zwischen den beiden. Wana hat nur noch ein Ziel: So schnell und so gut wie möglich das Abitur ablegen und dann die Familie hinter sich lassen. Das gelingt ihr und für viele Jahre lebt sie eigenständig in Berlin.
Dann passiert ein Unfall. Wana wird schwer verletzt und liegt wochenlang im Koma. Danach ist sie erst mal auf Hilfe angewiesen. Mutter und Schwester beschließen, dass Wana und ihr kleiner Sohn Leo zunächst am besten bei der mittlerweile verwitweten Mutter aufgehoben sind. Keine unproblematische Lösung, wie sich bald zeigen wird, aber eine, die Mutter und Tochter zwingt, sich mit ihrer Vergangenheit auseinander zu setzen.
Sabine Fürst