Buchtipp für Erwachsene September 2016

Christoph Poschenrieder: Mauersegler : Roman

Zürich : Diogenes, [20]15. - 219 S. ; 19 cm
ISBN 978-3-257-06934-1 fest geb. : EUR 22.00

(© Diogenes)

„Wir hatten immer gedacht, wir würden mit dem Sterben und dem Tod vernünftig umgehen. Nicht nur vernünftig, sondern lässig-nonchalant, so wie wir unsere Leben geführt hatten. Wir gutaussehenden, braungebrannten Erfolgstypen. Alphawölfe. Überholspurfahrer. FDP-Wähler, als es die noch gab. Und jetzt ist Heulen und Zähneklappern – Drittezähneklappern.“

 

Fünf alte Freunde, alles sehr wohlhabende Männer, wagen ein Experiment. Sie gründen zusammen eine WG in einer schönen alten Jugendstilvilla am Starnberger See. Sie waren erfolgreich im Beruf und haben ihre Spuren hinterlassen: der Ich-Erzähler Carl, ehemals Herausgeber eines schöngeistigen Magazins; Wilhelm, Chefjustiziar a. D. beim größten deutschen Versicherungskonzern; Heinrich, ein Lebensmitteltechnologe, der unter anderem die Spaghetti mit der fertigen Saucenmischung erfunden hat und damit stinkreich geworden ist. Außerdem Siegfried, der große Theaterregisseur und Intendant. Und Ernst, Softwareunternehmer der ersten Stunde. Dann gibt es noch einen unsichtbaren Sechsten, der doch immer anwesend ist: den kleinen Martin, der früher auch zur Clique gehört hat. Eines Tages wurde er tot im Weiher vor der Stadtmauer gefunden. Was war geschehen? Das Geheimnis seines Todes durchzieht das Buch und klärt sich erst ganz am Ende.

 

Nun sind sie alt und mehr oder weniger frei von Frauen und Kindern. Die fünf sind sich natürlich von Anfang an bewusst, dass sie nicht unsterblich sind. Aber es geht ja in diesem Buch um Würde und Selbstbestimmung – im Alter, in Krankheit, bis zum Tod. Und dafür steht der Mauersegler aus dem Titel: Der Erzähler hat die Vorstellung, dieser Vogel verbringt sein ganzes Leben in der Luft, und wenn er keine Lust mehr hat, legt er einfach die Flügel an und stürzt zur Erde. Und so gibt Poschenrieder seinen Protagonisten eine Möglichkeit an die Hand, einander beim Sterben zu helfen, wenn sie nicht mehr leben wollen, ohne dass sie sich strafbar machen. Sie beschließen, einander Gift einzuflößen, wenn der Lebenswille weg ist. Dafür erstellt Ernst ein Computerprogramm, mit dem jeder Bewohner seinen „Todesengel“ erwählen kann. Ist der Zeitpunkt gekommen, bekommt der Erwählte eine Nachricht und muss aktiv werden.

 

Das alles erzählt Poschenrieder, der brillante Stilist, in leichtem Ton. Er philosophiert über das Altern und die Vergänglichkeit, über Sterbehilfe und die letzten Wünsche im Leben.

 

Über den Autor:

Christoph Poschenrieder, geboren 1964 bei Boston, studierte an der Hochschule für Philosophie der Jesuiten in München. Danach besuchte er die Journalistenschule an der Columbia University, New York. Seit 1993 arbeitet er als freier Journalist und Autor von Dokumentarfilmen. Heute konzentriert er sich auf das literarische Schreiben. Sein Debüt „Die Welt ist im Kopf“ mit dem jungen Schopenhauer als Hauptfigur erhielt hymnische Besprechungen und war auch international erfolgreich. Mit „Das Sandkorn“ war er 2014 für den Deutschen Buchpreis nominiert. Christoph Poschenrieder lebt in München.

 

Pressestimmen:

„Der brillant geschriebene Roman thematisiert schonungslos mit humorvoll-bösem Blick das Älterwerden und ist zugleich ein liebevolles Plädoyer für Freundschaft, Toleranz und Menschlichkeit. Ein großes Lesevergnügen.“

HÖRZU, Hamburg

 

„Der hat so einen Spaß am Formulieren, dieser Christoph Poschenrieder – einer der besten deutschen Schriftsteller zurzeit.“

Kristian Thees, SWR3, Baden-Baden

 

 

Ute Steffel, Stadtbibliothek Aalen