Buchtipp für Erwachsene Mai 2016

Anna Enquist: Streichquartett

Übers.: Hanni Ehlers. - 1. Aufl. - München : Luchterhand, 2015. - 288 Seiten.
Originaltitel: Kwartet. - Aus dem Niederländ. übers.
ISBN 978-3-630-87467-8 fest gebunden. : EUR 19.99

(© Luchterhand)

Zum Roman:

Eine wunderbare Verbindung von Literatur und Musik beschreibt Anna Enquist in ihrem Roman „Streichquartett“. Als ausgebildete Konzertpinanistin und ehemalige Psychoanalytikerin versteht sie es seelische Verletzungen der Protagonisten mit der heilenden Wirung von Musik zu verbinden. Sie beschreibt in ihrem Buch vier langjährige Freunde und Hobbymusiker, alle Mitte vierzig, die sich regelmäßig auf dem Hausboot eines Freundes treffen und gemeinsam musizieren. Hinzu kommt ein ehemaliger Cellist und Cellolehrer, der nun alt und ausrangiert, die Musiker unterstützt oder früher unterrichtet hat. Hauptperson des Romans ist die Ärztin Carolien, die Cellistin, die sich nach einem Schicksalschlag zusammen mit ihrem Mann Jochem, Geigenbauer und Bratschist, zurück in ihren Beruf und ins Leben kämpft. Die gemeinsame Leidenschaft für die Musik gibt ihr Halt und Orientierung im Leben.  Sie treffen sich mit Hugo und Heleen, Cousin und Cousine an der ersten und zweiten Geige zum gemeinsamen Spiel. Für alle vier ist die Musik Therapie und Rettunganker in schwierigen Zeiten. Hugo, einst Leiter eines Musikzentrums in Amsterdam, muss Job- und Beziehungsverlust kompensieren, Halt gibt ihm dabei auch seine kleine Tochter. Heleen, die in der Praxis von Carolien arbeitet, hadert mit dem Umgang mit alten und gebrechlichen Menschen und prangert Politik und soziale Ungerechtigkeit an.

Frustration und Ängste, die alle Personen im Alltag einholen, können sie beim gemeinsamen Spiel vergessen und gemeinsam etwas Neues und Heiles schaffen, bis etwas völlig unerwartetes beim gemeinsamen Spiel über sie hereinbricht. Beim Lesen hält man unwillkürlich den Atem an und Anna Enquist gilt nicht umsonst als Meisterin des psychlogischen Romans.

Faszinierend genau und einfühlsam schafft es die Autorin „verletzte Seelen“ zu beschreiben und läßt die Akteure jeweils aus ihren Blickwinkeln erzählen. Dadurch entsteht eine spanndende und sehr berührende Geschichte, die vor allem die leisen Zwischentöne von menschlichen Beziehungen im Blick hat.

Zur Autorin:


Anna Enquist wurde 1945 in Amsterdam geboren. Sie wuchs in der niederländischen Stadt Delft auf, studierte Klavier am Königlichen Konservatorium in Den Haag, anschließend Klinische Psychologie in Leiden und arbeitet als Psychoanalytikerin. Seit 1991 veröffentlicht sie Gedichte, Romane und Erzählungen.

Mit dem Schreiben beginnt Anna Enquist in den 80er Jahren. 1991 veröffentlich sie erste Gedichte, es folgen Romane und Erzählungen, für die sie mit mehreren Preisen ausgezeichnet wird.

Bekannt wird sie durch ihren Roman „Das Meisterstück“, der 1995 in deutscher Übersetzung erscheint. Sie erzählt darin von Alma und ihren beiden Söhnen Johan und Oscar, deren Freunden, Frauen und Kindern. Es folgen Roman wie „Die Erbschaft des Herrn de Leon“, in den viele eigene Erfahrungen der ausgebildeten Pianistin einfließen, und „Letzte Reise“, 2006 erschienen, in dem sie das Leben der Ehefrau von James Cook schildert. 2008 erscheint ihr Roman „Kontrapunkt“ und 2012 „Die Betäubung“.

Anna Enquist zählt neben Margriet de Moor und Harry Mulisch zu den bedeutendsten niederländischen Autoren der Gegenwart. Ihre Werke wurden in 15 Sprachen übersetzt und mit zahlreichen internationalen Literaturpreisen ausgezeichnet. Anna Enquist lebt in Amsterdam.

Pressestimmen:

"Es ist ein Buch über Trauer und Musik, über zynische Politik, über Freundschaft und übers Altwerden."

Gabriele von Arnim / Deutschlandradio Kultur (02.11.2015)

"Raffiniert legt Anna Enquist in diesem mit 285 Seiten eher schmalen, psychologischen Roman ihre Spannungskurve an."

Anna Lückert / NDR Kultur (02.11.2015)

Andrea Effinger
Stadtbibliothek Aalen