Buchtipp für Erwachsene Januar 2016

Dörte Hansen: Altes Land

Roman / Dörte Hansen. - 6 Aufl. - München : Knaus, 2015. - 286 S. ; 22 cm
ISBN 978-3-8135-0647-1 fest geb. : EUR 19.99

(© Knaus)

„Polackenkind“ wird die  fünfjährige Vera auf dem Hof von Ida Eckhoff, einer Bäuerin im Alten Land, genannt. Dorthin ist sie 1945 mit ihrer Mutter Hildegard von Kamcke aus Ostpreußen geflohen. Hildegard heiratet Idas Sohn. Die stolze Bäuerin und Veras Mutter, eine noch stolzere Sängerin, liefern sich einen Kampf um die Vorherrschaft in diesem Haus. Aber Hildegard hat für die Opferrolle kein Talent. Sie zieht nach Hamburg und lässt ihre Tochter zurück. Im Dorf mehr gefürchtet als geliebt, wohnt sie in ihrem Altländer Bauerhaus, das immer weiter verfällt. Ihr Leben lang fühlt sich Vera fremd in dem großen kalten Haus und kann trotzdem nicht davon lassen.

 

Sechzig Jahre später stehen wieder Flüchtlinge vor der Tür: Ihre Nichte Anne ist mit ihrem kleinen Sohn Leon aus Hamburg-Ottensen geflüchtet. Anne ist eine erfolglose Musikerin, sie hat sich vom Vater ihres Kindes getrennt und sucht bei Vera Zuflucht. Sie kommt mit ihrem Leben in diesem Szene-Stadtteil nicht mehr zurecht, das die Autorin so treffend wie amüsant charakterisiert:

„Sie kaufte sich ein Brötchen, für sich selbst einen Cappuccino im Pappbecher und schob die Kinderkarre Richtung Fischerspark, reihte sich in den Treck der Ottenser Vollwert-Mütter, die jeden Tag aus ihren Altbauwohnungen strömten, um ihren Nachwuchs zu lüften, die Einkäufe aus dem Bio-Supermarkt im Netz des Testsieger-Buggy, den Kaffeebecher in der Hand und im Fußsack aus reiner Schafwolle ein kleines Kind, das irgendetwas Durchgespeicheltes aus Vollkorn in der Hand hielt. “

 

Mit Vera und Anne treffen zwei gescheiterte Existenzen aufeinander, doch gemeinsam entwickeln sie eine neue Kraft, die sie weiterträgt.

Dörte Hansen erzählt mit scharfem Blick und trockenem Witz von zwei Einzelschicksalen, die überraschend finden, was sie nie gesucht haben: eine Familie.

 

„Dieser Roman ist wohltuend anders. Keine Romantik., Klischeefrei. Starke, knorrige Charaktere. Eine Geschichte, die lange nachklingt, wie das Ächzen und Knarren in dem

großen dunklen Bauernhaus.“

(NDR Buch des Monats März 2015)