Buchtipp für Erwachsene April 2016

Abbas Khider: Ohrfeige

/ Abbas Khider. - München : Hanser, 2016. - 224 S. : Ill. ; 21 cm
ISBN 978-3-446-25054-3 fest geb. : EUR 19.90

(© Hanser)

Karim Mensy, ein junger irakischer Flüchtling, erzählt die Geschichte seines 3-jährigen Aufenthalts in Deutschland, wo er eigentlich gar nicht hin wollte.

 

Um die Jahrtausendwende verlässt er sein Heimatland, nicht wegen politischer Verfolgung, sondern aus Angst vor Demütigungen aufgrund einer körperlichen Besonderheit. Er will zu seinem Onkel nach Frankreich, um sich dort operieren zu lassen. Doch die Schlepper setzen ihn und zwei andere Flüchtlinge mitten in der bayerischen Provinz ab. Es beginnt eine Odyssee durch Asylbewerberheime, Gefängnis und Obdachlosenheim.

Schon bald erfährt er von anderen Asylbewerbern, dass seine Fluchtgründe nicht ausreichen, um in Deutschland Bleiberecht zu erhalten und so „borgt“ er sich die Geschichte eines ehemaligen Mitschülers, der nach einem Witz über Saddam Hussein spurlos verschwunden ist.

Das Warten auf den Bescheid der Ausländerbehörde zermürbt Karim. Er hat das Gefühl, immer blöder und von den vielen Vorschriften drangsaliert zu werden. Sein Leben wird nicht mehr von seinen Plänen und Wünschen für die Zukunft bestimmt, sondern von für ihn unverständlichen bürokratischen Verordnungen und Beschlüssen. Und manchmal auch von der Gemütslage der zuständigen Sachbearbeiter. Hier kommt Frau Schulz ins Spiel, eine unter den Flüchtlingen sehr unbeliebte Beamtin ohne Interesse an den von ihr verwalteten Menschen und ohne jegliches Einfühlungsvermögen.

Karims Asylantrag wird zunächst stattgegeben, dann aber widerrufen. Der Abschiebung will er sich entziehen und sich nach Finnland absetzen. Aber vorher soll Frau Schulz endlich seine ganze Geschichte anhören. Dazu fesselt und knebelt er sie in ihrem Büro.

 

Abbas Khider gibt in seinem vierten Roman den Flüchtlingen eine Stimme. In der monologartig aufgebauten Geschichte werden immer wieder Einzelschicksale herausgehoben, die den Blick auf den jeweiligen Menschen lenken. Er schildert die Flüchtlinge beileibe nicht als Engel, aber voller Sympathie in ihrer Ohnmacht und Verwirrung.

Wie schon in „Der falsche Inder“ (2008), „Die Orangen des Präsidenten“ (2011) und „Brief in die Auberginenrepublik“ (2013) nutzt Khider den Humor, das Absurde der Situation zur Abmilderung der ernsten Geschichte.

Der Schriftsteller ist nach mehrjähriger Inhaftierung selbst aus dem Irak geflohen. Zwischen 1996 und 1999 kam er durch zahlreiche arabische und europäische Länder, bis er schließlich im Jahr 2000 in Deutschland Asyl erhielt. Khider studierte danach Philosophie und Literaturwissenschaften in München sowie Potsdam, ist mittlerweile deutscher Staatsbürger und lebt in Berlin.

 

 

Sabine Fürst
Stadtbibliothek Aalen